Heimat ist (eine Momentaufnahme)

haimattHeimat ist, wenn wir zwar Angst vor schwarz verschleierten muslimischen Frauen, nicht aber vor schwarz gekleideten und kampfbereiten Neo-Nazis haben. Heimat ist, wenn wir uns für die Befreiung der Frauen anderen Glaubens ereifern, damit sie ihre Kleider ablegen und sich gleichgestellt fühlen können, unseren eigenen Frauen aber nicht einmal gleichen Lohn für gleiche Leistung zugestehen. Heimat ist, wenn wir uns erst erinnern, dass wir überhaupt eine haben (und vielleicht unseren Bürgerpflichten nachkommen sollten), wenn wir hören, dass jemand jemand anderem den Handschlag verweigert. Heimat ist, wenn wir alle Kreuze aus den Schulzimmern entfernen lassen, aber auch sonst keine anderen Glaubenssymbole dulden … weil wir uns auch plötzlich daran erinnern, dass wir eigentlich Christen wären. Oder sein könnten. Wenn wir dann nicht barmherzig sein müssten.

Heimat ist zu glauben, wenn wir unserem Geheimdienst mehr Macht und mehr Geld gäben, würde er damit nur «die anderen» überwachen und dass diese es auch verdient hätten, weil sie eh von Grund auf anderes und deshalb verdächtig seien. Heimat ist, vor allem von Ländern zu profitieren, mit denen wir nichts zu tun haben wollen, wenn sie einmal etwas von uns brauchen. Heimat ist der Ort, zu dem alle aus aller Welt wollen, um einmal zu sehen, wo denn ihr Geld hinfliesst. Heimat, das ist Bankgeheimnis, auch wenn es bröckelt. Heimat ist Unabhängigkeit, selbst wenn sie nicht einmal das Papier wert ist, auf dem sie steht. Heimat ist, wenn ich meinen Nachbarn anzeige, weil er mal am Samstag über mittag den Rasen mäht, ich aber wegsehe und -höre, wenn er seine Frau oder seine Kinder verdrischt.  Heimat ist die Möglichkeit der freien Meinungsäusserung anderer, solange sie der eigenen Gesinnung entspricht. Heimat ist, wenn nur die Rechten Recht haben. Und nur jene Recht bekommen, die es sich auch leisten können. Heimat ist, auf etwas stolz zu sein, für das man nichts kann und sogar noch zu blöd ist um zu wissen, wer sie erschaffen hat.

Heimat ist etwas, was man hernimmt, wenn man nicht weiss, wer man ist und wo man hingehört.

Heimat ist scheinbar etwas, in das man sich flüchten kann, wenn man nichts mit sich und anderen anzufangen weiss, wenn man Angst hat vor dem eigenen Spiegelbild und dem, was in der nächsten Sekunde geschehen könnte.
Heimat ist im Augenblick unglaublich ermüdend. Und erbärmlich. Und bigott. Wenn Heimat nicht mehr ist als die Wäscherei, in die man seine Hosen bringt, in die man vor Angst geschissen hat. Um dort andere Hosenscheisser zu treffen.

Und sollten diese Zeilen als Netzbeschmutzung empfunden werden: Von wem lassen wir uns in unserer Heimat das Nest reinigen, hä?
Wenn Heimat nicht mehr ist als bloss die Definition von all dem, was wir hier NICHT wollen, dann sind wir genau genommen Heimatlose.

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