Kulturöde Land – Kulturoase Stadt.

Es ist immer dasselbe: Freunde und Bekannte, die «in die Stadt gezogen» sind, taten dies nach eigenen Angaben vor allem aus einem Grund: Weil dort immer etwas läuft. Gemeint war damit nicht in erster Linie, dass die Restaurants und Bars länger geöffnet haben, sondern die Kinos, Konzertlokale, Theater, Museen und andere Orte, an denen man sich bei Veranstaltungen mit anderen Menschen treffen kann.

Kulturschiene Herrliberg

Das bedeutet nicht nur, dass in grösseren Städten immer etwas los ist. Es bedeutet auch, dass in der Agglo und mehr noch auf dem Land nichts bis gar nichts los ist. Was natürlich nicht ganz stimmt. Aber irgendwie schon. Die Dorf-Kinos haben vielerorts dicht gemacht, Theater sucht man meist völlig vergebens und wenn mal Chilbi (eine Art Dorffest) ist, ist man froh und kommt zusammen. Selbst wenn die Attraktionen, die man dort antrifft, kaum Atem beraubend und schon gar nicht berauschend sind.

Das bedeutet aber auch, dass alle, die sich amüsieren oder kulturell betätigen wollen, sich in die Stadt begeben. Zurück bleiben verschlafene Nester, ein paar Jugendliche, die die verwaisten Bahnhöfe unsicher machen und leere Häuser und Strassen, die nur von wenigen Laternen ausgeleuchtet werden. Schade eigentlich. Und dumm obendrein.
Da geschieht in Kunst und Kultur nämlich dasselbe wie bei der Arbeit: Wir pendeln wie blöde. Und verlieren beim Unterwegssein irgendwie auch Zeit. Und weil wir das wissen, überlegen wir uns zweimal, ob wir abends nochmals aus dem Haus gehen. Und lassen es dann bleiben.

Wozu Kultur? Schliesslich haben wir 291 TV-Kanäle, Netflix und – wenn alles nichts hilft – ein paar DVDs im Regal.

Das müsste nicht sein. Und anders wäre es auch besser. Durch Kunst&Kultur-Veranstaltungen oder gar kleine Institutionen am Ort würde das Dorf belebt, die Stadt entlastet. Die Menschen hätten immer wieder mal einen guten Anlass, sich besser kennenzulernen. Und vielleicht entstünden dadurch auch eine gewisse Eigendynamik und neue Projekte und Ideen. Stattdessen stehen sich Anbieter und Abnehmer von Kultur in der Stadt gegenseitig auf den Füssen, und nicht wenige wundern sich, dass ihre Veranstaltung – obwohl die beste westlich des Urals – schlecht besucht ist.

Die Leere – die Chance.

Diese Art von Landflucht muss in irgendeiner Form Leere hinterlassen haben. Idealerweise in Form von Räumlichkeiten, die auf einfache Weise wiederbelebt werden könnten. Jeder Anfang ist schwer? Ich weiss nicht. Wer schon einmal beim Start eines solchen Projektes mitgearbeitet hat, weiss, dass augenblicklich fast ebenso viel Energie zurückkommt, wie reingesteckt wird. Neugier, freche Ideen und Träume, Engagement … allesamt Faktoren für einen gehörigen Adrenalin-Kick.

Erleichtert würde das Ganze auch durch die Gemeinden selbst. Sie haben nämlich gemerkt, dass Kulturförderung auf dem Land aus verschiedenen Gründen durchaus Sinn macht, sei sie nun temporär oder dauerhaft. Wir nehmen allerhand belebende Arzneien und Nahrungszusätze zu uns. Aber was sind diese Pülverchen schon im Vergleich zu echten Erlebnissen und den anhaltenden Erinnerungen daran?! Ganz zu schweigen von der Gemeinsinn stiftenden Wirkung solcher Projekte. Die positiven Effekte, die Kunst&Kultur auf die Bildung, aber auch auf Innovationen in der Wirtschaft haben, sind unbestritten. Kunst&Kultur können darüber hinaus auch eine sozialisierende, integrierende Wirkung entfalten. Selbst auf schwerst integrierbare Zweiflerinnen und Nörgler schweizerischen Ursprungs.

Fazit.

Mittel und Wege der Kulturförderung gibt es schon. Auch an Ideen wird es kaum mangeln. Was jetzt noch praktisch wäre, wäre eine Meldestelle für leere Liegenschaften und Räumlichkeiten, unbefristet oder als Zwischennutzung.
Und eine bessere Vernetzung zwischen jenen, die wollen und jenen, die können, ist sicherlich ebenfalls wünschenswert. Denn gemeinsam kann vieles entstehen.

Nun mache ich grosse Augen und Ohren.

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