Es ist zum Verrücktwerden.

Ich habe den starken Verdacht, allmählich verrückt zu werden. Wenn jemand etwas sagt, fällt mir immer öfter auf, wie unpräzis Menschen sprechen, fast so, als wollten sie Missverständnisse provozieren. Aber ich nehme an: es liegt an mir. Denn mir fallen jeweils augenblicklich und gleichzeitig mindestens drei mögliche Interpretationen zum Gesagten ein. Mindestens.
Wenn mich jemand etwas fragt, passiert dasselbe. Statt einfach zu antworten, zermartere ich mir dann das Hirn mit der Frage, wie die Frage gemeint sein könnte. Ironisch? Suggestiv oder offen und neugierig? Basiert sie auf einer Annahme? Ist die Annahme (aus meiner Sicht) richtig? Parallel dazu macht sich offenbar ein Teil meines Hirns auch noch Gedanken darüber, was mein Gegenüber mit der Information anzufangen gedenkt. Dementsprechend würde ich meine Antwort(en) gestalten und aus dem Gedanken-Katalog auswählen. Und so weiter.

Ich habe mir deshalb angewöhnt, zurückzufragen um die Interpretationsmöglichkeiten einzugrenzen. Gelingt das, überlege ich mir, welches die (für mein Gegenüber) sinnvollste Antwort sein könnte … unter all jenen, die mir dazu einfallen. Und schon kommt die nächste Hürde, an der ich ganz offensichtlich immer wieder scheitere: Je präziser ich meine Antwort formuliere, umso mehr werde ich missverstanden. So jedenfalls fühlt es sich an. Und so werden Gespräche schwierig und anstrengend. Ich bin nahe dran, sie aufzugeben. Wenn ich dann aber nur still in die Runde schaue, ist es auch nicht recht. Wohl auch deshalb, weil es sich Leute, die mich kannten, gewohnt sind, dass ich einen Satz nach dem anderen raushaue (obwohl ich nur jeden dritten auch tatsächlich ausspreche und damit noch mehr missverständliche Lückentexte produziere).
Richtig krass wird es, wenn ich mir bewusst werde, dass mein Gegenüber nicht interpretiert, sondern genau wie ich einfach nur verstanden werden will und ich mir gleichzeitig vorstelle, dass all das auch im Kopf meiner Gesprächspartner und Innen vorgeht. Dann potenzieren sich die Fragezeichen.

Ich denke nicht, dass von mir so viel Denkarbeit erwartet wird. Immer wieder stelle ich fest, dass jemand zwar etwas fragt, es dann aber doch nicht so genau wissen will, wie meine Antwort ausfällt. Worauf ich mich dann wieder frage, warum jemand dann überhaupt so eine Frage stellt. Denn grundsätzlich gehe ich davon aus, dass alles und jeder etwas bezweckt. Bloss was?
Ich denke nicht, dass von mir so viel Denkarbeit erwartet wird. Dennoch ist sie aus meiner Sicht nicht freiwillig. Vielmehr lässt mir mein Kopf keine andere Wahl. Techniken, mein Hirn zumindest zeitweilig aus dem Hamsterrad zu nehmen, sind bisher alle kläglich gescheitert. Es bleibt die leise Hoffnung, dass Scheitern gescheiter macht. Und vielleicht etwas stiller im Kopf.

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