Anleitung zur Menschlichkeit.

Warum den Kopf schütteln? Es nützt ja eh nichts. Zumindest scheint es so. Da fordert eine Initiative der Republik die Menschlein auf, miteinander zu reden. Das Ganze – für old fashioned people like me eigentlich die natürlichste Sache der Welt – muss für jüngere menschliche Ableger offenbar generalstabsmässig organisiert werden. Zeitgleich wird uns Menschlein zur besten Sendezeit klar gemacht, dass Personalabteilungen unsere so genannten Human Ressources in unseren Bewerbungen nicht mehr selber beurteilen, sondern die «Flut» an Bewerbungen von einer Maschine, einem trümmligen Algorhythmus vorsortieren lassen. Sie hätten keine Flut zu bewältigen, wenn sie sich bei der Ausschreibung der Stellen etwas denken und die Stelle spezifisch und ehrlich ausschreiben würden. Auch gäbe es keine Flut, wenn nicht so viele Menschen die für sie völlig falschen, weil frustrierenden Stellen innehätten.
Aber nein. Schreiben wir einfach mal irgend etwas und sehen, was da so kommt. So springt man nun mit Menschen und deren Hoffnungen um.

Die Effizienz des menschlichen Wesens.

Dass das Aussortieren von Menschen nur funktioniert, wenn zuvor Kriterien für «passend» und «unpassend» festgelegt wurden, leuchtet ein und erschreckt dennoch. Hier geht es doch nicht einmal mehr um «fremde Richter»! Hier geht es um Maschinen, die uns dis- oder eben qualifizieren. Aber es geht kein Aufschrei durchs Land.
Ich habe vor Jahren regelmässig ganz präzise Stelleninserate für ein schnell wachsendes Unternehmen geschrieben, auf die es nur jeweils drei bis vier Bewerbungen gab, von denen aber zwei exakt passten. Der HR-Mensch hatte minimalen Aufwand und maximalen Ertrag, konnte er die Stelle doch sowieso nur einmal vergeben. Es war der umgekehrte Weg, der gründlichere und nachhaltigere. Und erst noch ein Beitrag gegen die zunehmende Gleichförmigkeit der Profile. Aber nein, heute muss es ein Algorhythmus sein. Wir sind schliesslich modern, moderne kleine Anpasser, die das Mehr an Lohn entweder für Ersatzhandlungen oder aber für den Psychologen ausgeben. Oder Psychopharmaka. Geht schneller.

Der Algorhythmus des Glücks.

Lässt sich das Glück, das einem der Verzehr eines gelungenen Kartoffelsalats vermittelt, etwa messen? Gibt es Masseinheiten für die Unannehmlichkeiten der Inkontinenz? Kann man die Eigenschaften eines Menschen so katalogisieren, dass unter dem Strich etwas resultiert, auf das man sich bei der Wahl seiner Partnerinnen und Partner verlassen will? Die Vorteile liegen auf der Hand: Nicht genau (eigentlich gar nicht) hinsehen zu müssen. Weder bei den anderen noch bei sich selbst. Schliesslich lässt man sich ja auch von automatisierten Dating-Portalen für den Abend passende Vorschläge machen. Diese Art der Selektion nennt man dann objektiv. Hauptsache, es kommt etwas Zählbares dabei heraus.

Für das Gute sein, das Schlechte aber nicht ausschliessen.

Ein ganz anderes Zeugnis unserer Menschlichkeit legt unser Bundesrat ab, indem er beschliesst, das weltweite Atomwaffenverbot nicht zu unterzeichnen. «In der Zwischenzeit kam eine interdepartementale Arbeitsgruppe unter Leitung des EDA zum Schluss, dass aus heutiger Warte die Gründe gegen einen Beitritt der Schweiz zum Abkommen die potenziellen Chancen eines Beitritts überwiegen.» Die folgende Argumentation lässt tief in unsere gesellschaftlichen Abgründe blicken. Auch die Nicht-Unterzeichnung ist ein Statement. Jeder Lemming ist eigenwilliger! Oder hat dieses Gremium am Ende mehr Angst vor einem Vertrag als vor der Mutter aller Bomben? Danke für dieses Vorbild.

Dies alles hat scheinbar nichts miteinander zu tun. Und doch glaube ich, ein Muster zu erkennen: Wir trauen unserer Intuition nicht. Oder brauchen Beweise, um bei anderen die Richtigkeit unserer Intuition unter Beweis zu stellen. Und viele wollen nicht mehr zu tief graben. Weder bei sich, noch bei anderen.
Damit verzichten wir leider auch auf all die grossartigen Dinge, die die Archäologie der Seele zu Tage fördern würde. Wie meine Tochter zu sagen pflegt: Schade, eigentlich.

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