Fait.rien ist schwerer als gedacht. Kalter Entzug von der Arbeit. Am ersten Tag – der Regen lieferte eine gute Ausrede – die Buchhaltung 2019 erledigt. Am zweiten endlich den Heizungsmonteur organisiert. Am dritten noch ein paar Druckvorlagen fürs Kellertheater erstellt. Dann: das Nichts. Schönstes Wetter. Keine Ausrede, kein Vorwand, nicht nichts zu tun.
Habe ich das tatsächlich verlernt: nichts zu tun? Am vierten Tag sitze ich echt im Loch. Bin ich unbemerkt zum Workoholic geworden und damit zu etwas, was ich angesichts der Biographie meines Vaters nie werden wollte?Am fünften Tag endlich wieder ‘was zu tun: zum Coiffeur. Gebe ihm Anweisung: wie Daniel Craig, du weisst schon… Bond, James Bond. Schwitze unter der Maske, geschüttelt, nicht gerührt. Dabei kommt mir in den Sinn, dass ich nochmals die Videoläden abklappern muss. «The Professor» sollte schon seit Tagen erhältlich sein. Stunden später endlich gesehen. Ziemlich enttäuscht. Über die Oberflächlichkeit, mit der hier ein ernstes Thema nicht behandelt wird. Darüber, wie wenig man von diesem Todeskandidaten erfährt. Auch darüber, dass «ausflippen» und «das Leben geniessen» offenbar nur in lieblosem Sex, Alkohol- und anderen Räuschen auszuarten hat. Was würde ich mit den letzten sechs Monaten des Lebens tun? Ich weiss es nicht. Wohl kaum mich um den Verstand saufen. Aber wer weiss?
Wer weiss, was bei meiner nächsten Kontrolle in ein paar Wochen herauskommt? Die übliche Spannung kommt auf. Und keine Arbeit, um sie zu verdrängen! Denn es ist erst Ferien-Halbzeitpause. Eine Zeit, in der auch mein Hirn mal Pause machen könnte. Stattdessen konstatiert es unablässig die Leere in Bezug auf das Gewohnte und die Sehnsucht nach dem, was auch noch sein könnte. Aber nicht ist.
Schliesslich doch noch eine Beschäftigung gefunden: Vielleicht bin ich eine der Ausnahmen, die in der Corona-Zeit wieder vermehrt zum Lesen zurückgefunden haben. Lesen all der Republik-Artikel, die ich noch nicht lesen konnte. Oder zum Beispiel eines Interviews mit dem von Covid-19 genesenen Schriftsteller Jonas Lüscher im Tages-Anzeiger vom 8. August. In gewissen Punkten gehe ich mit ihm einig, in anderen – bezüglich Regenerationsfähigkeit der Kultur – lieber nicht. Denn irgendwann möchte ich meine neuen Bilder ausstellen und dabei zumindest potentiell die Chance haben, dass sich jemand die Ausstellung anschauen und mit mir ein Glas Champagner schlürfen kommt. Ich weiss bloss nicht, wo und wann.
By the way! Vielleicht ist dieser Umstand vielen Galerie-Besuchenden gar nicht bekannt. Wenn du ein No-Name wie ich bist, bekommst du vielleicht tolle Anfragen. Aber in der Regel – wenn es dann mal um die Konditionen geht – wird schnell klar, dass du zur Kasse gebeten wirst. Angefangen bei der Produktion deiner Bilder (Print, Aufziehen und Rahmen allein kosteten bei meinen letzten beiden Ausstellungen (vorher >) knapp 2500 Franken, bei der vorletzten glatt das doppelte). Darüber hinaus zahlst du den Apéro und die Einladungskarten, und meist musst du auch noch selbst einladen und den Laden hüten (klar, als Ladenhüter habe ich ja immer Ferien). Und dann lieferst du – ausser in der Photobastei 2.0 – nicht selten auch noch einen unbescheidenen Teil des Erlöses ab – falls du etwas verkaufst. No risk – no fun gilt nur für die Kunstschaffenden. Aber wer weiss? Vielleicht ändert Corona da etwas. Aber ich denke, eher nicht.