Oder müsste es «Die Ökonomie der Kultur» heissen? Ich weiss es nicht mehr. Ich weiss nur: Ich rege mich schrecklich auf. Darüber, dass alles, was wir tun, rentieren muss, besser gesagt: in Barem oder einem Anstieg auf dem Konto Ausdruck finden muss. Offenbar. Da sollen Spitäler Rendite abwerfen. Und Versicherungen. Und Rüstungsbetriebe. Nicht aber die Armee. Die darf ein Fass ohne Boden und Ernstfall sein. Umso mehr muss das Asylwesen Profit abwerfen. Schliesslich wird es ja auch ordentlich bewirtschaftet. Und es werden ständig neue Klientinnen und Klienten geschaffen. Ausser jene, die unterwegs absaufen. Doch diejenigen, die ankommen, werden dann abermals bewirtschaftet: von der Politik. Alles muss seinen Nutzen in zählbarem nachweisen. Demnächst sprechen wir wohl von einem Profitpool Justiz, bei dem jeder Richter auf den Franken genau unter Beweis stellen muss, dass sich sein Richterstuhl lohnt.
Handelst du immer ökonomisch?
Früher hiess es «Hand aufs Herz», wenn jemand an die Ehrlichkeit der Anwesenden appellieren wollte. Ich sage das lieber nicht, denn ich weiss nicht, was das bei dir kostet. Und ein «Seien wir doch ehrlich» am Anfang des Satzes kündigt nichts weiter als die darauf folgende Lüge an. Darum einfach die Frage, die man mir oder sich selbst gratis beantworten möge: Was kostet ein Kuss, den du deinem Kind gibst? Wieviel springt dabei heraus, wenn du jemandem die Hand schüttelst und – welche Verschwendung – jemandem ein Lächeln schenkst? Gibt es den Handshake nur nach einem gelungenen Deal? Und warum, zum Teufel, schaffst du dir eine Katze oder einen Hund an, wenn du sie doch nicht isst?
Eine verdammte Lüge.
Worauf ich hinaus will: Der viel beschworene Homo oeconomicus ist ein Witz! Und eine verdammt faule Ausrede für eine Sparmassnahme. Wir bzw. die Politik, die Presse und damit die Gesellschaft zerbrechen uns viel zu sehr den Kopf über die Kultur der Ökonomie statt über die Ökonomie der Kultur. Im Speziellen über die Kunst. Angefangen bei Filmen in der Glotze, bei denen dir meist von Anfang klar ist, wer die Guten und wer die Bösen sind und nur noch die Frage bleibt, wieviele dabei drauf gehen, bis das Gute gerade noch mal davon kommt. Und trotzdem schaust du. Oder im Theater oder der Oper: Warum nochmals eine neue Inszenierung eines alten Stoffs ansehen? Warum an ein Blues-Konzert gehen, wenn du den Blues schon allabendlich von der Arbeit nach Hause fährst? Wozu zuhause eine Symphonie aus einem anderen Jahrhundert auflegen, wo sie doch bestenfalls sentimentalen Wert hat? Und wenn wir schon so ökonomisch tun: Warum fährt fast jeder Mensch seine sechzig, achtzig oder gar hundert Kilo in einem Zwei-Tönner morgens allein zur Arbeit? Das hat nichts mit Ökonomie, aber sehr viel mit unserer Kultur zu tun. Sehr viel.
Worüber ich mich ganz besonders aufrege: Wenn doch klar ist, dass auch unsere Seele Hunger hat und dieser Hunger nicht mit Geld zu stillen ist, weil sie von der Muse geküsst und von der Kunst umarmt werden will, weil sie unfassbare Dinge, grossartige Situationen und abstrakte Geschenke von UNSCHÄTZBAREM Wert braucht, warum verschwenden wir dann weiterhin so unökonomisch viel Zeit darauf, über Kultur bzw. Kunst zu streiten, statt sie einfach zu fördern, zuzulassen und zu geniessen? Geniessen und aus dem Erlebten eine Anregung, einen Gedanken ziehen, der unser Leben bereichert.
Ach, ich winke nicht zum Abschied. Das verbraucht nur unnötig Kalorien.