Echo aus der Vergangenheit

WOKE UP THIS MORNING – Vor ein paar Wochen holte mich meine Vergangenheit ein, jedenfalls ein Teil davon. Eine Mail, sie sah auch ein wenig nach Enkeltrick aus. Auch beim Namen der Absenderin klingelte es überhaupt nicht. Aber sie nahm ganz klar Bezug auf meine Familie, meine Herkunftsfamilie. Ich wusste nicht, wie reagieren. Aber ich dachte an meine Mutter. Lang ist es her, Sehr lange. Und meine Erinnerung an sie enthält – in Relation zu den knapp 17 Jahren gemeinsam verbrachter Zeit – nicht mehr als ein paar Wort- und Bildfetzen.

Dann, etwa zehn Tage später ein Anruf. Ich war im Büro, bei der Arbeit, genauer: bei der Zigarettenpause auf dem Büro-Balkon. Und schaute auf den Limmatplatz. Jemand nahm den Anruf entgegen und notierte Namen und Nummer. Den meines Onkels, den ich ebenfalls seit über 40 Jahren nicht mehr gesehen oder gesprochen hatte. Aus Gründen. Und auf einmal machte die Mail Sinn, bekam die Absenderin ein Gesicht. Dazu muss ich sagen: Ich musste mir bei Verwandtschaftsgraden immer eine Skizze machen, weil ich mir das einfach nicht merken konnte. Wohl aus denselben Gründen.

Ich hatte also eine Telefonnotiz, noch dazu mit dem Vermerk, es eile nicht. So vergingen nochmals fast zwei Wochen, in denen mir einiges durch den Kopf ging, bevor ich mich tatsächlich erst auf die Mail, dann auf den Anruf meldete. Ich dachte: Was solls? Ich frage einfach nach. Immerhin hat da jemand Mut gefasst und sich die Mühe gemacht, mich ausfindig zu machen. Letzteres scheint wirklich schwer zu sein. So habe ich in meinem ganzen Leben eine einzige Einladung zu einer Klassenzusammenkunft bekommen. Niemand sonst wollte oder hat mich gefunden. Und die Brücke zu meinen Verwandten war schon immer eine schwankende Hängebrücke. Wohl, weil die «Kulturen» zu unterschiedlich waren. Und schliesslich unüberbrückbar. So dachte ich wenigstens.

Aber schon das erste Telefonat mit meinem Onkel zeigte: Wir verstehen uns. Wir haben uns nichts vorzuwerfen. Und wissen, dass wir uns – so, wie wir heute sind – nicht kennen. Uns aber eigentlich, weil wir uns wohlgesinnt sind, kennen könnten. Und darum auch wieder kennenlernen können. SMILED WITH THE RISING SUN – Immerhin hat er mir eine Platte – ja, eine dieser schwarzen Scheiben mit Rillen, die so gemütlich knistern und jetzt offenbar wieder in Mode kommen – geschenkt hat, die mich geprägt hat und die ich auch heute noch besitze.

Ich glaube, dass keine:r in meinem Freundeskreis je verstanden hat, dass ich keine Beziehung zu meiner Herkunftsfamilie habe. Manifestiert meist in einem «Wie kannst du nur?», gefolgt von einem verständnislosen «Das ist immerhin deine Mutter!». Ja, ich weiss. Und obwohl ich weiss, dass es in unserem Fall kein Recht und Unrecht gibt, stimme ich ihnen heute zu. Deshalb habe ich mich inzwischen auch schon ein paar mal mit meinem Onkel telefonisch ausgetauscht. Diese Annäherung ist bereits gelungen. Eine weitere scheint sich aber etwas schwieriger zu gestalten.

DON’T WORRY. Hold the line.

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