3-Minuten-Experiment: Im folgenden Text (Original-Kommentar von Thomas Widmer auf TAonline vom 25. November) habe ich lediglich «Kunst/Künstler*» durch «Zeitung/Medienschaffende*» und «Subvention*» durch «Anzeigen/Werbebudgets*» ersetzt sowie den Mittelteil sinngemäss für diesen Teil der Gesellschaft übersetzt.
Unbequem wollen sie sein und bequem leben
Kürzt man den Zeitungen* die Anzeigen, jaulen die Zeitungen auf. Denn prinzipiell möchten sie beides: Kritisieren und kassieren.
Zuerst prominent im Radio, dann gross in der Zeitung: Schweizer Zeitungen und Journalisten verdienten zu wenig, klagt ihre Dachorganisation der Medienschaffenden. Die Einkommen seien tief, durchschnittlich 40’000 Franken; es hapere deswegen auch bei der Altersvorsorge. Auffällig sei zudem, dass viele Medienschaffende von der Arbeit bei der Zeitung allein nicht leben könnten. Interessant. Die hiesigen Medienschaffenden wollen zwei Dinge, die sich im Grunde widersprechen. Sie wollen kritisch sein und sich quasi aus der Gesellschaft herausnehmen. Aber das Gegenteil wollen sie auch: Sicherheit und pflegliche Zustände nach dem Standard des Kapitalismus. Sie wollen so bezahlt werden wie die, die profane Lohnarbeit verrichten, sind aber irritiert, dass sie allenfalls auch profane Lohnarbeit verrichten müssen, um über die Runden zu kommen.
((Werbe-Banner))
Immer wieder mal betupft
Ebenfalls dieser Tage in der Zeitung: Der Kommentar dazu, dass sich Werbeschaffende zu einer umstrittenen Strafaktion, nämlich den Zeitungen die Werbebudgets zu kürzen, hinreissen liessen. Die Medienschaffenden reagieren betupft. Sie sprechen zum Beispiel von «kindischem und unreifem Missbrauch von Macht». Da ist dasselbe Motiv wieder: Empörung – und Beharren auf einer Doppelrolle. Die Medienschaffenden, in diesem Fall der Trupp um Journalist Thomas Widmer, wollen aufmüpfig sein und ein Zeichen gegen rechts setzen. Deswegen am 25. November 2016 sein Kommentar: Er hatte gerade zwei Minuten Zeit und sonderte Zeilen ab, die sein Unverständnis für die kurzsichtige Wertschöpfung der Wirtschaft zum Ausdruck brachte.
Schampar kritisch
Und gleichzeitig mögen dieselben Leute es gar nicht, wenn man ihnen respektive dem Haus, von dem das kindische und unreife Spiel ausging, die Anzeigen kürzt. Das sei Bestrafung, heisst es. Eigentlich, dies nebenbei, müssten sich die Medienschaffenden bedanken: Bestrafung bedeutet, für voll genommen, ernst genommen zu werden. Nichtbestrafung hiesse, dass das Happening läppisch und lächerlich war. Die Medienschaffenden wollen auch in diesem Fall beides: schampar kritisch sein und gleichzeitig vom Werbetreibenden Geld bekommen. Lohn kassieren und dem, der den Lohn zahlt, quasi in die Hand beissen. Die Medienschaffenden sind Wesen der Ambivalenz: Sie begehren zwei Dinge, die sich im Grunde beissen: bürgerliche Behaglichkeit wollen sie geniessen und gleichzeitig antibürgerlich agieren. Geht das auf? Natürlich nicht. Freiheit der Medien verträgt sich schlecht mit dem Beharren auf fester Finanzierung und materieller Sicherheit. Eingebunden sein und rebellieren: Das ist und bleibt ein Widerspruch.