Ich schicke voraus: Zum einen habe ich nichts studiert und kenne also die langatmigen Vorspiele von Masterarbeiten nicht. Zum anderen bin ich noch relativ neu in der Politik und weiss deshalb nicht, dass man auch die Vorspiele in Positionspapieren nicht lesen sollte, weil sie nämlich nur eines tun: abturnen.
Als wir vor zwei Jahren unsere Arbeit begannen, überschlugen sich die Kulturleitbilder von Städten und Kantonen und wurden in ihrer Langweiligkeit nur noch übertroffen von der Kulturbotschaft des Bundesrates selbst. Ich habe sie alle gelesen. In einem einzigen Machwerk wurde einem auf 118 Seiten erklärt, warum Kultur so wichtig sei, ohne aber auf den G-Punkt zu kommen. Um dann, nach 118 Seiten – da, wo die Quintessenz, die Handlungsanweisung, das Konkrete hätte kommen sollen – zu enden, ohne zu kommen: Coitus culturus interruptus.
Das wollten wir in der AG Kultur nicht. Und was wir vor allem nicht wollten: einen elfenbeintürmigen, vielsilbig-heissluftigen Kulturbegriff definieren. Stattdessen das grosse Ganze, was Kultur wirklich ist: Boden, Saat, Pflege und Ernte in einem, oder «Kapital und Rendite unserer Gesellschaft» für jene Welten-Manager, die mit soft skills ihre liebe Mühe haben. Um einen grossen Konsens zu schaffen, der auch Mehrheiten beschafft.
Doch bis zu diesem Punkt waren noch einige Diskussionen, Anträge, Rückkommensanträge, Nerven aus Kautschuk und temporäre Taubheit von Nöten. «Nicht deine Musik-Diplome an der Wand sind wichtig. Nicht die Leuchttürme.» Diplome gewisser Kunstsachverschändiger kann man wahrlich in der Pfeife rauchen, aber ohne die gewünschte Wirkung. Und Leuchttürme zerbröseln einsam in der Wüste ohne jene kleinen Bühnen, Galerie- und Leinwände, Dorfplätze und andere Plattformen, auf denen Kleinkunst zu grossem gedeihen kann und wo sie auch von den renomierten Veranstaltern und Kuratierenden noch «entdeckt» werden kann. Schliesslich gibt es auch hier die Geschichten vom Tellerwäscher zum Millionär. Bloss geht das nicht, wenn alle nur noch billiges Wegwerfgeschirr verwenden.
Aus meiner Sicht ist dieses Experiment vollauf gelungen: Extrakt auf 16 Seiten. Konkret und anleitend. Alles da, wo es hingehört: das Wesentliche gleich zuerst, die wichtigen Grundlagen im Hinterteil und der Ballast auf dem Müll.
Vor allem ist die nun abgelieferte Definition davon, was aus unserer Sicht Kultur ist und was nicht, die viel grössere Leistung als jede in diesem Papier gestellte Forderung und alle zusammengetragenen Fakten und Zahlen miteinander. Mehr als 50 Kulturschaffende, Vermittelnde und Geniessende haben zwei Jahre diskutiert, sich gefetzt und wieder versöhnt. Dies an sich ist schon eine kulturelle Höchstleistung.
Und wer die gefundene Definition – Breitenkultur, von allen statt für wenige – in seiner Gesamtheit annimmt und versteht, wird künftig eine völlig andere Position einnehmen, wenn er oder sie in eine lustvolle Diskussion über Kultur verwickelt wird. Leidenschaftlich, mit einem Lachen, grossen Augen und Schweiss auf der Oberlippe.
Lasst euch nicht täuschen: Was hier relativ nüchtern daher kommt, hat das Zeug, mehrere Leben mit Leben zu füllen und jodelnde Elefanten im rosa Tütü Hip-Hop tanzen zu lassen.
Das Kultur-Positionspapier der SP Kanton Zürich >