Ich schicke voraus: Ich bin ziemlich windschnittig, biete also wenig Angriffsfläche. Dennoch stehe ich voll im Gegenwind. Gäbe es den Beziehungsstatus «Es ist komplex» auf Facebook, er wäre meine erste Wahl. Und das auf Dauer.
Egal wo und so weit ich mich zurückerinnern kann, in welchem Kreis oder Projekt auch immer: Ständig gab und gibt es Anlass zu Diskussionen. Was kein Hinderungsgrund ist, dennoch ein Herz und eine Seele mit gewissen Menschen zu sein. Im Gegenteil: Meine Wertschätzung ist ihnen gewiss.
Aber dann und wann sehne ich mich nach einem Leben auf der Ideallinie. Nach einem Leben wie im Hauptbahnhof, dessen Halle ich zwar diagonal durchquere, aber dennoch fein getaktet und und wie von Engelshand gelenkt mit niemandem zusammenstosse, perfekt im Timing vor oder hinter den anderen durchgehe ohne je abbremsen oder beschleunigen zu müssen. Also in meinem Tempo.
Dann und wann gelingt mir das auch. Und ich quittiere das mit einem leisen «Yeah», gefolgt von einer Becker-Faust. Meistens aber treffe ich auf Widerstand. Meist dann, wenn die Achtung einseitig ist. Ganz meinerseits. Und ich erst um Wertschätzung buhlen muss. Was mir irgendwie widerstrebt, weil ich grundsätzlich davon ausgehe, dass man sich erst mal Kredit geben soll (der verspielt werden kann), statt darauf zu beharren, dass sich jemand diesen Kredit erst hart erarbeiten muss (was mit Beweisnot einhergeht).
Bestimmt gibt es gute Gründe, warum ich mich meist fernab der gedachten Ideallinie bewege. Genauso, wie es gute Gründe gibt, mir im Weg zu stehen oder mich in andere Bahnen zu lenken: andere Ziele, andere Massstäbe, andere Flughöhen, Geltungsdrang und/oder Profilneurosen. Was auch immer. Es ist komplex. Und anstrengend. Und unökonomisch. Jedenfalls aus meiner Sicht. Schliesslich habe ich nicht nur viele Hindernisschen zu überwinden, sondern auch ein Ziel. Etwas bewirken und mich dabei gut fühlen.