Wer zum Geier ist Carla Hagus? (Auf der Spur eines Online-Trolls)

Neulich habe ich auf TAonline geschaut, welche Kultur-Beiträge letztens auf dieser Plattform erschienen sind. Nun, viele sind es nicht. Zu mager sind die Einnahmen aus Insertionen unter  dieser Rubrik, was eigentlich verwundert, wäre das Umfeld genau das Richtige, um positiv aufzufallen. Sei es drum. Der erste Artikel – Die Schweiz als Kultur- und Mediennation – beschäftigte sich kurz und recht oberflächlich mit der seit Jahren vom eidg. Statistischen Amt und dem Bundesamt für Kultur sorgfältig erarbeiteten «Taschenstatistik zur Kultur in der Schweiz». Mich wühlte nicht der Artikel, wohl aber der Kommentar einer gewissen Carla Hagus auf. Sie schreibt:

«“Kultur” ist nebst “Solidarität” nur eine von vielen Ausreden dafür, dass andere bezahlen sollen. Das ist des Schweizers liebstes Hobby: Seinen Landsleuten auf der Tasche liegen. Ob Spitäler, Krippe, Schule, Universität, Berufseinstieg, Pensionierung. Von der Wiege bis zur Bahre wird der Schweizer vom Totalstaat umsorgt und reguliert. Museen, die keiner besucht. Musiker, die nicht mal eine Hotelbar vollkriegen. Schweizer Filme, die keiner ansieht. Bibliotheken im Zeitalter von eBooks, womöglich noch an den allerteuersten Lagen. Und die Kinder werden tausendfach und jahrelang am Klavier unterrichtet. Die finanzielle Bildung ist jedoch auch nach neun Schuljahren gleich null. Aber ja. Hauptsache Staatskultur.»

Ich habe ihr mein Beileid ausgesprochen.

Nicht nur, dass sie die Situation, nämlich dass fast unser gesamtes Schul- und Ausbildungssystem auf die Wirtschaft ausgerichtet ist, total verkennt. Sie lässt auch jegliches Gefühl für andere vermissen. Man möchte ihr zurufen:

Unsere Gesellschaft hat immerhin so viel Kultur, um mit Problemen wie Ihnen umzugehen!

Aber ich lasse es. Und ich versuche mir Carla Hagus und ihre Kulturferne auch nicht vorzustellen. Mein Kopfkino inkl. Geruch (4D) kennt da kaum Grenzen, mein Nervenkostüm aber schon.

Looking for Carla Hagus.

Stattdessen starte ich eine kleine Adresssuche. Fehlanzeige. Auch auf Twitter und Facebook ist sie nicht zu finden. Dann eben eine Google-Suche. Treffer! Frau Hagus hat einen Google+ Hangout-Account und ist – mal abgesehen davon, dass sie gar nicht existiert – auf den Plattformen zahlreicher Tageszeitungen (die ja alle ein und dieselbe sind) eine passionierte Kommentarschreiberin zu den verschiedensten Themen: Banken, Gesundheit, Vorsorge und nun eben auch Kultur. Immer gewählt im Ausdruck. Und immer – über mehr oder weniger Sätze – zum Punkt kommend: Es geht um Geld. Offenbar um ihres, das ihr das Steueramt abknöpft um es anderen zu geben oder für Unnützes zu verplempern! Und was sich ebenfalls durchzieht: Alle, wirklich alle anderen sind dumm. Saudumm sogar. Ich hege allmählich einen Verdacht, woran sie leiden könnte:

Akuter Kulturmangel.

Kultur bestimmt, worauf wir fokussieren, was uns wichtig ist, und was wir ausser Acht lassen. Worauf wir unsere Energie verwenden und wem oder was wir aus dem Weg gehen. Eine einzige von 48 Seiten Tageszeitung beschäftigt sich mit Kunst im weitesten Sinn. Wenn es hoch kommt. Alle anderen sind gefüllt mit Wirtschaft, Krieg, Wirtschaft, Börsenkursen, Krisenherden, Wirtschaft, Polit-Hickhack und -Geplänkel, Krankheiten und Sport. Und nicht zu vergessen: Wirtschaft.
Aber es gibt ganz offensichtlich Menschen, die von Wirtschaft nie genug bekommen und die sich ganz schrecklich ärgern, wenn das Thema in der Zeitung oder bei Tisch ausnahmsweise einmal Altern in Würde, soziales Engagement oder eine Ausstellung, ein Theaterstück oder eine Ballett-Inszenierung sind. Bestimmt sind solche Menschen die Spitze der Schöpfung und als solche eine Ausnahme. Aber viele sind – so scheint mir – freiwillig oder gezwungenermassen auf dem Weg dorthin.

Und darum frage ich mich eben doch: Wie entsteht so ein Mensch? Und: Könnte ich ihn mit einem total unökonomischen Lächeln erfreuen?

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