Zum Glück.

Zum Glück habe ich es noch rechtzeitig vor dem Lock-down ins Kunsthaus geschafft, in die Ausstellung von Olafur EliassonSymbiotic Seeing. Und habe noch einmal so richtig die Gegenwart von Menschen eingeatmet.
Zum Glück auch habe ich mir – was ich sonst kaum je tue – den Ausstellungskatalog gesichert. Nun kann ich – abseits vom Geplapper der Leute, die wohl noch dem Pfarrer bei ihrer Abdankungsrede ins Wort fallen – Parallelen zu den aktuellen Geschehnissen ziehen und den Gedanken der Ausstellung folgen:

Ich glaube, in vielen von uns gibt es eine grosse und unerkannte Leere und Sehnsucht.

Sie setzt sich in uns fest, in unserer Gesellschaft und unserer Kultur, als Unruhe, Irritation und Trauer vielleicht, die wir nicht verstehen und die wir versuchen zu vergessen, indem wir Medikamente schlucken und uns dem Kaufrausch hingeben und auf reine Unterhaltung setzen. Es ist eine Unruhe, die uns von der Geschwindigkeit abhängig macht, eine Irritation, die zu Isolation und Ablehnung anderer Menschen führt, eine Trauer, in die wir fallen und von der wir nicht wissen, wie wir aus ihr herausfinden sollen.“

Ich mag es nicht zu zitieren. Auch nicht, wenn andere es tun. Weil ich der Meinung bin, dass es dann richtig herüber kommt, wenn man es mit seinen eigenen Worten sagt. Aber hier hat Josefine Klougart, von der die kursiven Sätze stammen, bei mir einen Nerv getroffen, voll.

In der aktuell viralen Extremsituation spüre ich die Unruhe, bin irritiert und traurig. Zwar schlucke ich weder Medikamente (das hat meine Mutter zur Genüge getan), noch gebe ich mich dem Kaufrausch hin, weil sich da bei mir  einfach kein Rausch einstellt. Umso mehr spüre ich die Abhängigkeit von der Geschwindigkeit, jetzt, wo alles so verlangsamt ist. Und der Mangel an Austausch irritiert mich, da ich der Meinung war, ich hätte gar nicht so viel Austausch nötig. Dabei: So isoliert war ich zuvor gar nicht.

In diesen Tagen, in denen uns all die Katastrophen-Filme eingeholt haben (Wo ist die Fernbedienung!!!), in diesen Tagen der Video-Konferenzen bekommt IRL, in real life, eine völlig neue Bedeutung. Was ist real? Und was ist jetzt wirklich notwendig? Welche Aufgaben, welche Projekte machen Sinn? Wie breit kann man Teil-Aufgaben noch streuen und was geht beim Delegieren verloren? Wohin haben uns Rechthaberei und andere Wettbewerbe geführt? Und noch eine Sinnfrage: Was macht es aus mir, wenn ich ständig – auch während ich diesen Beitrag schreibe – zwischen all den Plattformen und Devices hin und her switche um zu sehen, ob es dort Neuigkeiten gibt? Macht es überhaupt Sinn, überall erreichbar zu sein? Und wo ist eigentlich meine Konzentrationsfähigkeit abgeblieben?

Zerstreuter als im Augenblick kann ich gar nicht sein: Kein Plan, kein Ziel im Auge, nicht einmal Sehnsucht nach etwas. Oder doch: ich habe Sehnsucht nach der Sehnsucht.

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Ein Gedanke zu „Zum Glück.“

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