Apolitische Kulturschaffende?

„Ich will nichts mit Politik zu tun haben!“

Das habe ich in der Vergangenheit immer wieder gehört. Gefolgt vom Satz «Ich mache Kultur. Aber ich bewundere dein Engagement». Damit war nicht nur klar, dass mein jeweiliger Gesprächspartner sich kaum je für Kulturpolitik einsetzen würde. Es zeigte auch die Haltung, dass andere dafür da sind, für bestimmte Anspruchsgruppen die Kohle aus dem Feuer zu holen. Und darüber hinaus hinterliess es bei mir jeweils einen höchst verwirrenden Eindruck: Denn die allermeisten Kunstschaffenden und Kulturvermittelnden sind nicht nur politisch interessiert, sie streichen die politische Komponente ihrer Kunst im Gespräch oft auch heraus. Gefolgt von einem Statement wie «Aber ich könnte nie einer Partei beitreten. Ich will mit diesem Apparat nichts zu tun haben. Ich will selber denken.» Und dergleichen mehr.

Diese Aussagen unterstellen eine ganze Menge. Und sie bringen viel politisches Unverständnis zum Ausdruck. Allein schon die Tatsache, dass sich eine Partei verändert, wenn ich ihr beitrete, dass ich eine Versammlung massgeblich beeinflussen kann, wenn ich mir ein Herz fasse und ans Rednerpult trete oder – noch besser – auf den Gängen auf und ab gehe und mit den Delegierten rede, all das wird offensichtlich nicht erkannt. Oder man ist sich zu schade dafür. Oder man hat besseres zu tun. Zum Beispiel: sich mit sich selbst und seiner Kunst beschäftigen. Was dann wiederum Fragen zur politischen Relevanz der Arbeit aufwirft.

Aus der Not geboren.

Wenn sich dann im Kulturkuchen etwas Politisches regt, dann meistens zu spät und – mangels Übung – auch ziemlich ungelenk und ohne Beziehungen. Um zu retten, was noch zu retten ist, werden eiligst Treffen einberufen, kurz oder lang lamentiert und Szenarien durchgespielt und – wohl oder übel – Delegierte bestimmt, die im Namen der Kultur irgendwo vorstellig werden um gegen irgendetwas zu protestieren. Und schwupps haben wir, was wir nie wollten, etwas, das einer Partei verdächtig nahe kommt. WARUM NICHT GLEICH?!


Keine Ausreden.

lullturLandauf, landab werden für viel Geld Lullturleidbilder in Auftrag gegeben. Alle gleichen sich: Vollmundig wird «die Kultur» gepriesen und auf deren Unverzichtbarkeit hingewiesen, ungeachtet dessen, das jede und jeder etwas anderes damit meint. Und am Kulminationspunkt, dann, wenn es zu den konkreten Massnahmen kommen müsste … coitus interruptus, nada, hang-loose, ein implodierendes Fürzchen. DAS wäre der Moment für Kulturschaffende, in Weissglut eine politische Organisation zu gründen und voller Charme den Politisierenden das Fell über die Ohren zu ziehen, aus einem Leitbild ein Theaterstück zu zimmern, ein Ratsprotokoll zu einer Operette umzuschreiben oder einen Hörspielfilm daraus zu machen.
> Es gibt keine Ausreden bzw. nur faule. Wir haben alle viel zu tun, müssen uns alle unser Leben verdienen, haben Familie und dann auch noch ein Privatleben, blabla. Genau wie die Lehrerinnen, Tramchauffeure, Hebammen, Beamten und so weiter. Wir haben aber auch eine gesellschaftliche Verantwortung bzw. Pflicht, vor allem jene, die von den Subventionen profitieren, die eben von dieser oft verwünschten Politik gesprochen werden. Oder eben nicht.

Kulturschaffende, die dies nicht einsehen, haben sich selbst eingelullt.

 

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3 Gedanken zu „Apolitische Kulturschaffende?“

  1. Kürzlich wollte ich einen bekannteren Schweizer Kulturschaffenden als Eyesopener/Sicht von Aussen an eine politische Diskussion einladen. Er sagte ab: «Ich nehme nicht an Veranstaltungen politischen parteien Teil…»
    Tja so sind sie, die Kulturschaffenden: manchmal eben recht arrogant. Und viele merken nicht, dass der Trend Richtung Kultur- und bildungsfeindlich in der Bevölkerung auch auch damit zusammenhängt. Und manchmal leben Sie einfach so in ihrer schönen Komfortzone, dass sie gar nicht realisieren, wie tief die Akzeptanz für zeitgeschössisches Kulturschaffen gesunken ist…

    1. Apropos apolitisch: das politische Engagement der Kulturlobby Winterthur möchte ich hier noch als durchaus positives Beispiel anfügen. Innerhalb kurzer Zeit hat sie sich in der Öffentlichkeit, aber vor allem beim Grossen Gemeinderat, dem Stadtrat und in der Verwaltung einen Namen gemacht. Wir sind inzwischen ein ernstzunehmender Gesprächspartner. Und selbst wenn bei der Kulturförderung kein einziger Franken mehr herausschaut: a) werden wir nie erfahren, wie es ohne die KL herausgekommen wäre und b) haben wir durch die Zusammenarbeit unter den Kulturschaffenden schon viel gewonnen.

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