Back in business. Ach.

Ich kann nicht sagen, ich hätte sie vermisst. Aber jetzt, nach zwei Monaten Rekonvaleszent zuhause, wo ich sie wieder sehe, freuen sie mich schon: die Menschen, die in ihre Mobiles starren und sich dabei eine Halsstarrigkeit zuziehen, für zwei Bahnstationen den Laptop aufklappen, sich über die dämlichen Lehrer und deren noch blödere Aufgabenstellungen aufregen, sich auf High-Heels in den Strassenbahn-Schienen verheddern oder morgens im Zug endlos an ihren Krawatten nesteln. Einer fummelte heute früh solange, dass ich mich bemüssigt fühlte, ihm life ein «Like» zu signalisieren und mit gehobenem Daumen bemerkte: «Sie sitzt tadellos.»

Er lächelte müde und gequält, um dann aber doch von diesem lustigen Fetzen Stoff, der ihm ja auch gar nichts zuleide getan hatte, abzulassen und sich seiner Zeitung (naja, 20 Minuten verdient diese Bezeichnung eigentlich nicht) zu widmen. Und urplötzlich waren wir mitten im Gespräch über den Islam und seine Jünger. Wobei er sich offenbar mehr über die Geistlichen aufzuregen schien. Auch outete er sich dahingehend, dass ihm der Islam in der Schule gelehrt worden sei. Ja, und? Wir reden ja trotzdem miteinander. Man kann doch die Verantwortung dafür, was man glaubt, nicht anderen in die Schuhe schieben. Und um sich Gedanken über die allein seelig machende Wahrheit zu machen, braucht man sich nicht einmal die Religionen dieser Welt vorzunehmen. Es reicht ein Blick auf das daily business: Da zeigt sich, dass man sich zwar wochen- und monatelang etwas hübsch stringent ausdenken und es auch verargumentieren kann und es dennoch abgelehnt werden kann, vorausgesetzt, der- oder diejenige steht in der Hackordnung eine Stufe über einem.


Es geht letztlich zu oft um Macht. Um die Macht der Dummheit. Dummheit definiere ich folgendermassen: Etwas schlechter umsetzen, als man es könnte, als man es wüsste. Demzufolge kann ein gebildeter oder gar intelligenter Mensch viel dümmer handeln, als es ein Simpel je vermöchte. Und genau das erlebe ich immer wieder. Nicht auszudenken, was passieren würde, wäre ich a) intelligent oder b) kein Enthusiast!

Ich kann nicht sagen, ich hätte sie vermisst. Aber amüsieren tun sie mich schon. Und mögen tue ich sie auch: die Menschen, die mir nun wieder auf der Strasse begegnen, die sich redlich abmühen, ihr bestes zu geben, den aufrechten Gang üben und alles tun, um abends noch in den Spiegel blicken zu können. Die Menschen, die ich nun wieder unbekannterweise grüsse und sie so ein wenig verwirrt, aber vielleicht auch amüsiert zurücklasse. Die Menschen, die unablässig vorwärts treiben, einem imaginären Ziel entgegen, solange sie nicht mit einer erschreckenden Diagnose konfrontiert werden und dann ganz befremdet ihre Krawatte oder ihre High-Heels betrachten.

Menschen. Ach.

Share

4 Gedanken zu „Back in business. Ach.“

Schreibe einen Kommentar zu Louis Pastori Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert