Der letzte Eindruck.

«Scheisse, Scheisse, Scheisse!», immer dreimal hintereinander, das ist nicht das einzige, aber das letzte Bild von meinem Vater (als er noch sprach), das sich in meine Erinnerungen einbrannte. Und ich war den Tränen nah, weil ich sah, dass er nicht mehr selber schaffte, was er wollte, dass er nicht mehr Herr seiner Lage war.

Was wird das letzte Bild von mir sein, das sich meiner Tochter ins Gedächtnis brennt? Wie wird sie sich an mich erinnern? Als der kleine Kerl, der sich oft selbst aus dem Konzept brachte, obwohl nicht der Dümmste, aber schnell unterwegs ohne erkennbare Richtung?

Die Tage nach meiner letzten Kontrolle – mit gutem, weil unauffälligem Befund – habe ich viel mit Grübeln verbracht. Was ist damit gewonnen? Weitere sechs Monate? Was fange ich damit an? Die Tage vergehen so schnell, die Bücher bleiben ungelesen, die Arbeiten lückenhaft, die Bilder unvollendet, als läge dem ein Naturgesetz zugrunde.

Gleichzeitig sehe ich rundum Menschen, die einen Status erreichen wollen, für den sie geliebt werden können. Für eine warme Hand, ein liebes Wort, ein Lachen von jemandem, den sie schätzen oder sogar so etwas wie lieben. Was aber, wenn sie eines Tages nicht mehr die Kraft aufbringen, diesen Status zu halten oder – weil sich durch die Gewöhnung eine gewisse Abnutzung einstellt – nicht mehr steigern können? War dann alles für die Katz, und der Weg führt doch zum Spielenachmittag mit den anderen Überlebenden im Altersheim?

Wenn Leistung alles ist, ist alles andere das Nichts, das mich zum Nichts werden lässt. Mit etwas Glück gelingt es mir, diesem Umstand mit Gelassenheit zu begegnen. Und mit noch etwas mehr Glück wird diese Gelassenheit der letzte, der bleibende Eindruck bei meiner Tochter sein.

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