Gute Neuigkeiten: Die Invasion bleibt ein Restrisiko.

«Dysplasiefreies Urothel und tumorfreie Anteile der muskulären Harnblasenwand …» und «… welche in erster Linie reaktiv zu werten sind. Somit kein sicherer Nachweis eines Resttumors oder einer Invasion.»
Hättest Du ‘s gemerkt? So klingen GOOD NEWS aus der Pathologie, wahrscheinlich vorher mit einem Juristen abgesprochen. Glücklicherweise hat der Arzt meines Vertrauens mir das Resultat dieser Gewebeuntersuchung als Erfolgsmeldung präsentiert. Sonst hätte ich mir auch noch eine Ansammlung von Fragezeichen entfernen lassen müssen.

Mir ist durchaus bewusst, dass dies alles nicht vergleichbar mit einem Beinbruch ist, der geschient und irgendwann verheilt sein wird. Ich will es auch nicht dramatisieren. Aber wenn ich meinen Arzt richtig verstanden habe, werde ich künftig mit dieser Disposition leben müssen. Also kein Ringkampf über 15 Runden (den ich auch gewinnen könnte), sondern einer über die volle Distanz, bis einer nicht mehr aufsteht.

Es ist, als ob das Leben für mich seine Unschuld verloren hätte.

Präziser vermag ich es nicht zu beschreiben. Immerhin waren fünf Eingriffe nötig, bis ich das halbwegs begriffen habe. Wobei ich die Konsequenzen noch gar nicht abschätzen kann. Ausser der Tatsache, dass ich ein ordentlich volles Programm vor mir habe in den nächsten Monaten: BCG-(Imun-)Therapie jede Woche, psychologische Betreuung, dazwischen Arbeit, mich eventuell mit Krankenkassen und Versicherungen herumschlagen und alle drei Monate die «Routine-Kontrollen».
Ich kann mir nicht helfen: Nichts davon klingt gesundmachend. Eher klingt es wie eine Strategie gegen das Unvermeidliche.

Apropos unvermeidlich: Wir sterben alle früher oder später. Und morgen könnte man vor einen Bus geraten. Worin unterscheidet sich denn meine Situation von jener eines anderen? Die Psychologin meinte, meine Bedrohung sei konkret. Wie ist das gemeint? Im Gegensatz zu abstrakt und theoretisch? Oder weil ich schon heute weiss, woran ich dereinst sterben könnte? Soll ich etwa die Mortalitätsrate meiner Erkrankung googeln? Was erhielte ich mehr, als die Wahrscheinlichkeit, abgeleitet von einer Statistik (;-)?

Wenn ich so frage, merke ich, dass dies nicht die relevanten Fragen sind. Also werden es die Antworten – so ich denn welche erhalte – auch nicht sein. Damit wird aber auch klar, was ich in den nächsten Monaten zu tun habe: herausfinden, was noch in mein Leben gehört. Und alles andere ausräumen. So gnadenlos wie das Leben selbst. So lustvoll wie ein Glückskäfer. Und so umsichtig und entgegenkommend wie jemand, der weiss, dass noch ganz viele sein Schicksal teilen oder weit schlechter dran sind.

Wir lieben. Also sind wir.

Und noch ein Nachsatz zu meinem letzten Spital-Aufenthalt: Zwar hat nicht alles reibungslos geklappt. Aber die Pflegenden dort machen einen grossartigen Job. Speziell hervorheben möchte ich Pflegerin T., die mich mehr als einmal «gerettet» hat und die ich beim Austritt am liebsten darum gebeten hätte, dass sie ihre therapeutische Haltung kurzzeitig aufgibt, damit ich sie umarmen kann. Danke.

Share

16 Gedanken zu „Gute Neuigkeiten: Die Invasion bleibt ein Restrisiko.“

  1. ” (…) es ist als ob das Leben für mich seine Unschuld verloren hätte…” .
    Dieser Satz hat mich eben besonders berührt. Und die Kraft die in allen Anderen liegt. Ich wünsche viel Energie beim Ausräumen und gaaaanz gute Genesung! Karin

    1. Danke Karin.
      Die Kraft, die ich in Worte stecke – so es mir denn gelingt – hat etwas heilsames. Und ist zugleich der erste Ausräumer: nichts mehr sagen, wenn es nichts bedeutet*. Weil Stille so schön ist.

      *Ausnahme: Dummheiten, die loslachen lassen 😉

      Liebe Grüsse | Stefan

  2. Alles “Ungute” ist auch ein Reifeprozess. Und: Nachher weiss man immer alles besser.
    Viel Glück – aber auch Gelassenheit. Denn jetzt hat für dich eine neue Zukunft begonnen. Gratuliere!

    1. Lieber Louis,
      Auf die Edelfäule im Reifeprozess freue ich mich am meisten. Ich werde darauf achten, dass es nicht als «ungut» ausgefiltert wird 😉
      Danke für die guten Wünsche, LG | S.

  3. Lieber Stefan, wie schön! Hätten wir das noch vor nicht allzu langer Zeit, als du uns über deine Krankheit informiertest, zu hoffen gewagt? Nun ist sie da, die erlösende Nachricht. Was der Unterschied ist zu allen anderen, die ja genau so wissen, dass sie dereinst sterben werden? Vielleicht können diese die aberwitzige Illusion der eigenen Unsterblichkeit besser aufrecht erhalten. Wichtig ist im Moment aber nur, dass es dir besser geht. Und dass wir hoffen können, dass dies sehr lange Zeit so bleiben wird. Bitte lass uns weiterhin an deinem Leben teilhaben, hier im Blog oder auf Facebook. Ich bin grad so glücklich über die guten Neuigkeiten, dass ich singen würde, wenn ich es denn könnte. Liebe Grüsse.

    1. Liebe Güzin, tatsächlich hat diese Geschichte eine gute Wendung genommen. Und ich bemühe mich, diese Chance nicht zu verscherzen. Stichwort «Nikotin». Und bestimmt würde die Illusion der vollständigen Genesung durch ein Gesangsduett mit dir begünstigt 😉
      Ich werde sicherlich dann und wann wieder etwas zum Thema im Blog bringen, wenn es eine gewisse Relevanz haben sollte. Der Austausch mit anderen (direkt oder indirekt) Betroffenen – ausgelöst durch diese Beiträge – hat einiges bewegt und mir immer wieder geholfen. Vor allem, wenn es darum ging, in Gedanken nicht immer nur um meinen eigenen Bauchnabel der Welt zu kreisen. Die Welt ist um so vieles reicher. Und auch lustiger. Nämmli.

      Liebe Grüsse | Stefan

  4. Lieber Stefan, was für eine Freude!
    Irgendwo habe ich mal gelesen, Meditation würde helfen, nach Operationen gesund zu bleiben. Damit lässt sich vielleicht die konkret gewordene Bedrohung des eigenen Lebens, das Trauma, wieder besänftigen.

    1. Liebe Fatima, ich werde in nächster Zeit einiges ausprobieren (inkl. Hypnose). Vielleicht beginne ich auch wieder mit dem Malen. Wer weiss? LG, S.

      1. Hypnose habe ich noch nie ausprobiert. Selbsthypnose jedoch finde ich sehr hilfreich. Auch EFT oder Whee, EMDR (uff, diese Abkürzungen!). Ich bin auf deine weiteren Berichte sehr gespannt. Wer weiss, vielleicht kann man ja auch etwas für das eigene Leben lernen. Plötzlich fängt man selber an mit dem Aufräumen von Unwichtigem.

  5. CARPE DIEM! In diesem Sinne, lieber Stefan, freue ich mich auf genussvolle Sekunden, Minuten, Stunden, Wochen, Tage, Monate, Jahre, kurz: Zeit mit dir. Es ist SO SCHÖN, dass es dich gibt! HERZENSGRUSS et a bientot,. mon cher Stephane! Doris

  6. Lieber Stefan

    Ich staune, was Du für einen Stab an Pflegenden und Therapierenden um Dich geschart hast! Ich wurde operiert und chemotherapiert. Das war’s. Psychologie? Was ist das? Dass mein Onkologe einige Interessen hat, die sich mit meinen decken, war wohl das Psychotherapeutische an der Behandlung. Er hat mit mir vor allem über klassische Musik und Obstbau gesprochen. Das hat mir gut getan, es zeigte, dass es auch bei der Diagnose Krebs ein Leben ausserhalb dieses Themas gibt. Ob er das bewusst gemacht hat oder ob sich das ergeben hat, weiss ich nicht. Überhaupt spreche ich sonst wenig darüber. Das Nichtwissen, ob der Krebs schnell oder langsam zurückkommt scheint für meine Familie schwieriger zu ertragen sein als für mich. Zurückkommen wird er.

    Hast Du bisher im Bewusstsein der Unsterblichkeit gelebt? Ist die Begegnung mit dem möglichen eigenen Tod die erste ernsthafte Begegnung mit der Endlichkeit? Als gewesener Bergsteiger ist mir der Tod schon so oft in nächster Nähe begegnet, dass ich mich mit dem Gedanken an ihn längst auseinander gesetzt habe. Das erleichtert vielleicht alles. Im Vergleich zu vielen Bergsteigerfreunden, die früh verunglückt sind, lebe ich seit 20 Jahren im Bonus und bin mir dessen bewusst.

    Mit meiner Krankenkasse hatte ich übrigens überraschend wenig zu tun. Ich bekam einfach Abrechnungskopien, die zeigten, dass meine Chemo soviel gekostet hat, wie ich in den letzten 30 Jahren einbezahlt habe….

    Jedenfalls wünsche ich dir alles Gute, GESUNDHEIT!!!! Und würde mich auf ein Wiedersehen enorm freuen!

    Tobias Humm

    1. Lieber Tobias,
      danke für deine Zeilen. Sie zeigen, dass Krebs nicht gleich Krebs und nicht alle Erkrankten gleich sind. Den ersten Abschnitt (bzw. die Motivation hinter den Zeilen) verstehe ich nicht, zumal es keinen Stab gibt. Und die Hilfe der Psychologin werde ich nach einem halben Jahr Widerstand in Anspruch nehmen, da sich gewisse Schwierigkeiten ergeben haben, die sich nicht in der Familie lösen lassen.

      Zum Bewusstsein der Unsterblichkeit: Es verhält sich gerade umgekehrt. Ich habe mit der Sterblichkeit im Unterbewusstsein gelebt. Auch wenn um mich herum immer wieder in nächster Nähe gestorben (oder sich umgebracht) wurde. Der springende Punkt ist nicht das Wissen um, sondern das Fühlen von Sterblichkeit. Und dieses Gefühl hat sich tatsächlich erst jetzt eingestellt. Etwas naiv von mir 😉

      Ich werde sehen, wie sich das weiterentwickelt. Wir sehen uns bestimmt wieder.
      Liebe Grüsse | Stefan

  7. Da unser Leben voller Restrisiko ist, lass es ruhig angehen und lebe! Mit der Zeit wandelt sich das Damoklesschwert in ein kleines Sackmesser. Damit kann man gut leben.

  8. lieber stefan

    dein bericht ist einfach hervorragend geschrieben. leiden war schon immer irgendwie ‘kreativ’oder kreatiefgehend. das bei dir die ‘bedrohung konkret’ sei, ist eine negative äusserung. nicht sehr professionell von einer psychologin. ich glaube auch an das schicksal, an kleine wunder, oder grosse. die letzte stunde kommt mit sicherheit, aber noch befindest du dich in einer kampfsituation und kannst noch gewinnen. ich wünsche dir nur das beste.

Schreibe einen Kommentar zu stefadmin Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert