Acht Jahre Parteimitglied …

Bis Anfang 2010 war ich höchstens mal Mitglied einer Band, Mitglied eines Fussball-, Tennis- oder Tischtennisclubs. Ansonsten teilte ich die Clichévorstellungen, die möglichwerweise nicht wenige mit Vereinsmeierei verbinden: Verstaubte Strukturen und veraltete Rituale an langweiligen Versammlungen.

Dann fragte mich die SP an, ob ich als ihr Kandidat bei den Wahlen im goldküstlichen Erlenbach für die Schulpflege antreten wolle. Selbstverständlich als Parteimitglied und letztendlich chancenlos, da etwas «Linkes» hier grundsätzlich nichts zu melden hat, es sei denn, man war zuvor schon in dritter Generation auch Mitglied der örtlichen Volksbühne und als solches jemand, «mit dem man überraschenderweise doch ganz vernünftig reden kann». Und obwohl ich das auch knapp drei Jahre später noch immer nicht unter Beweis gestellt hatte, kandidierte ich ganz unverfroren für den vakanten Sitz im Gemeinderat desselben Dorfes. Der Platzhalter-Kandidat der SVP wurde mit deutlichem Vorsprung gewählt.

Zwischendurch gab es noch ein kleines Intermezzo, als ich versuchte, den «Kulturbus» zu lancieren. Ich hatte auch schon die elf Acts beisammen, Bands, Literaten, ein Mini-Theater, Geschichtenerzähler usw. Und das Budget sowie die provisorische Genehmigung für den Betrieb im sonntäglichen Ortsbus hatte ich auch. Im letzten Moment zog der ZVV die Notbremse mit der Begründung, dies sei viel zu gefährlich und verstosse obendrein gegen die Hausordnung. Ironischerweise gab es seither in den öV mehrere solcher Anlässe … doch die Idee kam von anderer Seite. Ich hatte also schon früh Gelegenheit festzustellen, dass eine Idee nur so gut ist, wie die Quelle, von der sie offiziell stammt.

In der Folge nahm ich Einsitz in diversen Gremien wie dem Vorstand der Bezirkspartei, im Präsidium der Ortspartei, wurde Listenfüller bei den Kantonsratswahlen und in die Geschäftsleitung der SP Kanton Zürich gewählt. Überall wurden mir die Türen geöffnet. Wusste ich etwas nicht, fand ich schnell jemanden, die oder der mir weiterhalf. Andererseits war ich plötzlich Wahlkampfleiter («Du als Kommunikator!») hier und -unterstützer dort und fand irgendwann sogar «mein» Betätigungsfeld: Kultur(politik) sagt mir einfach mehr zu als Bildungs-, Sicherheits- oder Finanzpolitik. Auch halte ich Kultur mehr denn je für die beste Form von Integrationsarbeit.
Aus dieser Überzeugung heraus engagierte ich mich für ein SP-Kulturpapier, im Vorstand der Kulturlobby Winterthur und in der AG Kultur der SP Kanton Zürich. Die SP erwies sich aber als kulturresistenter als sie den Anschein machte. Auch hier begegnet einem immer wieder die Haltung, Kultur sei ja schön und gut, aber … (Auch das ist ein Ausdruck unserer Kultur.)

So mache ich keinen Hehl aus meiner Enttäuschung über den aktuellen SP-Wahlkampf und die Tatsache, dass «Kultur» auf keinem einzigen Kandidaten-Flyer vorkommt (löbliche Ausnahme: SP Winterthur), obwohl im kommenden Frühling das Thema «Lotteriefonds» im Zusammenhang mit der Kultur-Subventionierung die Medien fluten wird. Hier wird noch viel Arbeit nötig sein, wohl auch auf der Strasse, und wenn es nur ist, um einmal mehr Unterschriften für etwas zu sammeln, das eigentlich selbstverständlich sein müsste.

In den vergangenen acht Jahren habe ich verschiedene Dinge begriffen: Ein einzelner Mensch hat – wenn er nicht gerade Bomben bastelt – nur gerade in seinem direkten Umfeld Einfluss – soviel wie ihm eben zusteht. Ein einzelner Mensch mit einflussreichen Freunden mehrt seinen Einfluss. Ein einzelner Mensch, der sich mehr und schneller bewegt als andere, verdrängt andere und bekommt so ebenfalls mehr Einfluss. Ein Mensch, der anderen Arbeit abnimmt und sie in ihrem Sinne erledigt, erhält ebenfalls mehr Einfluss. Ein Mensch, der bereit ist, hier einen Kompromiss zu machen, bekommt an anderer Stelle Recht. Und ein Mensch, der sich dabei selber bleiben will, muss schon früh darauf achten, wem oder was er zustimmt, soll es ihm später nicht plötzlich in den Weg kommen. Und: ein Mensch, der sich selber bleibt, wird es – ich meine dies ganz pragmatisch – in der Politik möglicherweise nie ganz schaffen. Denn er bleibt damit nicht nur den Beweis schuldig, nötigenfalls bei seiner Seele Kompromisse zu machen, sondern bewahrt sich etwas, das andere in Tranchen geopfert haben.

Ich habe in diesen acht Jahren zahlreiche Freundinnen und Freunde gewonnen, habe Menschen kennengelernt, die unglaublich viel im Kopf und ein grosses Herz haben und bereit sind, beides zum Nulltarif herzugeben – im Hintergrund, in der Lokalpolitik, ohne Aussicht auf Ruhm und Ehre, auf eine Schlagzeile oder einen Fernsehauftritt. Ganz einfach, weil sie es für das Richtige halten. Und ich habe – im Gegensatz zu den meisten anderen Wählenden – inzwischen einige jener Menschen kennengelernt, deren Namen alle paar Wochen in einer Zeitung und alle paar Jahre auf Wahlzetteln stehen. Ein weiterer Vorteil, wenn man Mitglied in einem Verein ist 😉 und sich nicht als Passiv-Mitglied betrachtet.

So gesehen kann ich die Mitgliedschaft im richtigen Verein nur empfehlen.

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